Es ist schon eine schwierige Zeit 1


Es ist schon eine schwierige Zeit, wenn die Zweifel stärker sind als die Zuversicht, die aus einem starken Glauben gewonnen werden kann, wenn man sich fragt, ob denn alles so sinnvoll ist, was man macht, wenn die Entfernung zwischen Kirche und der Seele größer wird als der Grand Canon breit ist, wenn man sich Fragen stellt und keine Antworten findet …
Ehrlicher wäre eigentlich gewesen, aus der Kirche auszutreten, als so weiterzumachen. Im Mai verlor er seinen Hausschlüssel zum St.-Michaels-Heim. Das war für ihn ein sicheres Zeichen: Du hast hier nichts mehr verloren! Den Gedanken verdrängte er allerdings mehr oder weniger erfolgreich. Es war ihm auch ganz schön peinlich. Einen neuen Schlüssel bekam er, Antworten nicht. So schwieg er, fraß die Zweifel in sich hinein und lebte sein Leben.
Im Sommer-Urlaub begann es wieder, plötzlich und ganz stark: er verlor sein Kreuzkettchen, Gold massiv, ein Geschenk des Oberhauptes zur Einsegnung. Kann ja passieren, aber er hatte es nicht einmal bemerkt. Früher hätte er es sofort vermisst. Nun standen Fragen und Zweifel erneut in seiner Seele. Warum hat er es eigentlich nicht vermisst? Wann hatte er es zum letzten Mal bewusst wahrgenommen? Früher war es ihm wichtiger, heute fast egal und dennoch konnte er nicht gut schlafen, seitdem er den Verlust bemerkt hatte. Am nächsten Tag begann die Suche: In der Sauna des letzten Hotels, im Badezimmer, im Bett, wo immer es auch sein könnte. Sie war so erfolglos wie die Suche nach der Heimat, die er verloren hatte. Er erinnerte sich: vor drei Tagen hatte er es auf jener Wiese am See abgenommen, als er zum Baden ins Wasser wollte. Inzwischen war ein Gewitter mit Starkregen niedergegangen. Das findet er zwischen den hoch gewachsenen Gräsern nie wieder. Aussichtslos!
Am nächsten Morgen schaute er in das Gesicht seiner Freundin und sie sagten gleichzeitig: Wir fahren heute nochmal zum See und suchen zusammen. – Hier muss es gewesen sein: Meter für Meter, Schritt für Schritt erfolgloses Suchen. Wie sich Inneres und Äußeres doch gleichen können. Jetzt ein Gedanke stark wie eine Stimme: Setz dich hier hin! Er schaute sich um: Kuhfladen! Lieber dort hinsetzen, da ist die Wiese sauberer. Vor dem nächsten Schritt wieder der Gedanke nur noch stärker: setz dich jetzt hier hin! – Wenn es denn so sein soll, kann man es ja probieren, auch wenn es schwierig wird und sinnlos ist. Er setzte sich, seinen Hintern so gedreht, dass er den Kontakt mit dem Kuhfladen vermied. – Neben seinem rechte Fuß glitzerte es golden: Das Kreuzkettchen.


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Ein Gedanke zu “Es ist schon eine schwierige Zeit

  • Christa Konkel

    Geistiger Tod

    Als ich etwa 5 Jahre alt war, noch immer nicht still sitzen konnte, ständig neugierig war, alles entdecken wollte und die Erwachsenen so oft mit mir schimpften, machte ich mir ernsthafte Sorgen, ob ich nach dem Tod in den Himmel kommen würde, Hölle kam für mich nicht in Frage, auf gar keinen Fall!

    Da hörte ich davon, dass es einen geistigen Tod gibt für ganz besonders böse Menschen.
    Wenn ich auch ganz besonders böse bin, dann wird meine Seele ausgelöscht- welch ein Trost für mich!
    Dann muss ich mich nicht soooo unendlich anstrengen, den Himmel würde ich ja sowieso nicht schaffen.
    Da stand mein Entschluss fest: Ich möchte geistig ausgelöscht werden.

    Doch dann kamen mir große Bedenken:
    Was ist, wenn ich nicht böse genug bin für den geistigen Tod? Und doch in die Hölle muss, und das auch noch, weil ich absichtlich böse war?
    Was ist, wenn ich all das Böse, das ich ja tun wollte und bestimmt auch schon getan hatte, mal wieder gerade biegen muss?
    Was ist, wenn Jesus auch für mich am Kreuz gestorben ist?
    Was ist, wenn Gottes Liebe so groß ist, dass er auch mir vergeben kann, wie dem, der am Kreuz neben ihm hing?
    Was ist, wenn er mich trotzdem liebt? Zuzutrauen ist es Ihm!
    Was ist mit der Gnade? Gilt das auch für mich?

    Also: entweder Himmel oder geistiger Tod- Hölle nicht!
    Gottes Liebe und Gnade fand ich dann zu unberechenbar. Und bin ich überhaupt so böse, wie es mir gesagt wird?

    Das muss ich wohl selbst mit Gott klären- ohne die Erwachsenen!