Die Kistenwesen – Eine heiter-besinnliche Betrachtung der menschlichen Daseinsstufe


Eines Morgens beim Frühstück saß vor unserem Fenster hoch oben in einer Birke ein Krähen­paar. Offensichtlich hatten sie uns bemerkt und steckten ihre Köpfe zusammen. Durch das etwas geöffnete Fenster konnten wir ihrem Gespräch lauschen. Der Inhalt überraschte uns sehr und mag vielleicht auch Euch erstaunen. Die krächzenden Stimmen der beiden Krähen waren für uns kaum zu unterscheiden. Deshalb lest Ihr ihren Dialog nun wie einen Gedankenfluss. Viel Spaß beim Lauschen.

Kra-kra – Schau mal, da hocken zwei von diesen Kistenwesen und futtern. Sieht lustig aus. – Warum die wohl so selten zu uns in die Natur kommen. Woher bekommen diese Kistenwesen bloß ihren Lebenssaft. Ob es in ihren vielen Kisten auch solche Heilströme gibt, wie in unseren Wäldern und auf den Wiesen? – Wenn sie aus ihren Wohnkisten mal heraus kommen, dann stelzen sie meist gleich in diese Fahrkisten mit runden Beinen. Damit sind sie so schnell, dass sie fast fliegen. Wenn sie dabei nur nicht so viel Wind, Staub und Lärm machen würden. – Ich habe sie auch schon in schwimmenden und fliegenden Kisten gesehen. Einfach mal so die Flügel ausbreiten und los fliegen, geht da gar nicht. Die brauchen immer irgendwelche Kisten.

Einige gehen am Tage in Büro- oder Handwerkskisten, andere in Fitness- oder Lernkisten. Manche kommen auch zu uns in die Natur und springen sogar ins Wasser und quietschen dabei, wie unsere Jungen. Aber viele gehen selbst zum Baden in Wasserkisten.

Diese Wesen bauen übrigens keine Nester für ihre Jungen. Den Nachwuchs legen sie auch gleich in Kisten und da schreit er dann rum. Kein Wunder bei dieser Trennung von der lebendigen Natur. Und damit die Jungen Ruhe geben, gibt man ihnen Klapperkisten, später dann den Männchen Spielkisten und den Weibchen Puppenkisten. Artgerechte Haltung ist das nicht. – Wenn die wüssten, wie lecker Würmer und Insekten sind und wie schön es ist, fliegen zu lernen.

Flügge werden die trotzdem und dann begeben sie sich in ihre sogenannten Beziehungskisten. Manche sollen da nie wieder heraus kommen. Soweit ich das überhaupt verstehen kann, geht es in diesen Kisten, die ich übrigens noch nie sah, höchst turbulent zu. Das meiste kann ich aber gar nicht verstehen.

Abends, wenn sie müde sind, sagen diese Kistler oft, dass es nun „ab in die Kiste“ geht. – Wie nah an den Sternen sind wir da auf unserem stabilen Ast. – Ihre großen Wohnkisten haben die voller kleiner Kisten stehen. In den einen schlafen sie und da krächzen sie auch manchmal, wie wir. In die anderen Kisten tun sie hinein, was sie den ganzen Tag so sammeln. Manchmal holen sie da auch wieder etwas heraus. Wenn ihnen der ganze Kram dann zu viel wird und nichts mehr in die Kisten passt, schmeißen sie alles in die bunten Kisten vor ihren Wohnkisten. Eine orange Fahrkiste holt das ganze Zeug dann ab und bringt es in Riesenkisten, die viel Lärm und Rauch machen. Unsere ganze Verwandtschaft ist da schon weg gezogen, weil das energetische Gleichgewicht dort völlig zusammen gebrochen ist. Bewusstsein scheinen wenige dieser Kistenwesen zu haben.

In ihren Wohnkisten haben sie sogar kleine Kisten, in die sie Vögel, Ratten oder auch Hamster stecken. Die armen Hamster laufen dort immer in einem Rad, das die Kistler extra für sie gebaut haben, damit die Hamster glauben, von der Stelle zu kommen. Alles Illusion natürlich, aber was bleibt so einem Hamster in der Kiste schon anderes übrig. Es ist schon komisch, dass so ein Kistenwesen selbst Tiere in Kisten steckt und glaubt, dass sich unsereins darin wohl fühlt.

Die meisten haben auch noch riesige Flimmerkisten, die ganz viel herum tönen. Seltsame Frequenzen sind das. Also meinen Augen und Ohren tun diese Dinger nicht gut. Da lobe ich mir doch das Ausruhen und Kraft schöpfen auf unserem Lebensbaum mit Weitblick. – Stimmt, aber manchmal sehen sie da Bilder von uns und riskieren dann einen Blick aus den Guck­löchern ihrer Kisten. Und dann staunen sie oft, dass es uns wirklich gibt, gleich nebenan. Lustig ist, wenn uns die kleinsten Kistler dann mit ihren dünnen Flügelchen zuwinken.

So recht entspannen mag dieses Kistendasein aber nicht, denn morgens rennen die meisten müde aus ihren Wohnkisten, obwohl sie nachts geschlafen haben. Ihr Futter und weitere seltsame Dinge holen sie aus Superkisten. Dann tragen sie alles in Einkaufs­kisten weg und räumen es in ihre Aufbewahrungs- und Kühlkisten, damit sie nicht täglich neues Futter suchen müssen.

Bisher war nur noch nicht heraus zu bekommen, was die in ihren Trickkisten so drin haben, von denen sie manchmal ganz aufgeregt reden. – Zu diesen Trickkisten scheinen ja die mit dem Kreuz drauf zu gehören, von denen manche eine ganz hohe Kiste mit Glocken drin haben. Immer sonntags gehen die Kistler da meist etwas angespannt rein und kommen dann völlig entspannt und fröhlich wieder raus und kuscheln viel öfter als sonst miteinander.

Übrigens leben sie viel länger als wir, doch wenn so ein Kistentyp gestorben ist, legen ihn die anderen auch wieder in eine Kiste und die vergraben sie dann. Das soll eine Krähe nun verstehen. – Einige dieser Kistenwesen glauben ja, dass sie gar nicht wirklich sterben. Wie das wohl gehen soll. Die Kisten wieder ausgraben, können sie jedenfalls vergessen. Vielleicht schwirren sie ja deshalb so viel mit ihren Weltraumkisten herum, um das da oben mit Gott zu besprechen. – Wenn die wüssten, wo der eigentlich zu finden ist …

… doch dazu müssten sie noch etwas mehr über ihren Kistenrand gucken …

Schau mal, unsere beiden sind jetzt fertig mit futtern. Hast Du bemerkt, dass sie versucht haben, unser Gespräch zu belauschen? Witzig sind sie schon. – Ach ja, irgendwie mag ich diese Kistenwesen – kra-kra.

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