Gedanken zum Verzeihen


Immer wieder denke ich darüber nach, dass es zu lange dauert, bis man – oder zu sagen ich – jemand verzeiht bzw. verzeihen.

Wie könnte man das beschleunigen?

Also – ich ärgere mich über jemand, eine Situation, eine Bemerkung, eine Kränkung, ein Übersehen.werden. Schnell bin ich sehr stinkig. Irgendwann bin ich nicht mehr stinkig, denke nicht mehr an die Sache. Das ist dann der Moment, wo ich auf den Anderen mit einem Lächeln zugehen kann.

Aber nun ist da ja auch noch der Andere. Selber stinkig über mich (meine Reaktion, meine Empfindlichkeit, vieleicht hab ich zurückgekoffert) – und dieser andere braucht auch seine Zeit, genau wie ich.

  1. Er braucht länger als ich zum Verzeihen – dann wird er/sie meinen nun durchaus unbedarften Annäherungsversuch zurückweisen, mit der Folge, dass ich evt. erneut sauer bin.
  2. Er braucht genauso lange – der ideale, aber wohl recht unwahrscheinliche Idealfall !
  3. Er braucht weniger – auch irgendwie schlecht, weil er dann schon wieder sauer auf mich ist, weil ich ihm die Sache für ihn zu lange nachgetragen habe.

Die Lösung kann nur sein: schnell verzeihen ohne Anspruch an den anderen, dies auf umgekehrt zu tun und jedem seine Zeit zu lassen.

Das würde für oben 2) und 3) die Lösung sein. Und für 1) sag ich mir ganz gelassen: lass ihm einfach seine Zeit.

Aber da gibt sogar noch ein 4) und eigentlich auch ein 0):

4. wäre: der Andere ist überhaupt nicht sauer und fragt sich schon die ganze Zeit, wieso dieser andere Dummkopf die ganze Zeit so ein misslauniges Gesicht macht …

0 wäre: Ich bin nicht sauer, aber der andere, weil ich unabsichtlich oder trampelig/stofflig oder einfach als ein Missverständnis den anderen verletzt habe. Und es nicht gemerkt habe. Aber darum soll’s hier nicht gehen.

 

Weitere Gedanken zum Verzeihen vom 27.05.2015 angeregt aus der TV-Sendung Günter Jauch vom 26.04.:

Eine KZ-Überlebende schildert letztlich Ihre Weiterlebensstrategie, ihre „Damit-Umgehen-Strategie“:

  • Ich fühle mich nicht besser wenn einer der SS-Täter gehenkt wird
  • Ich bin kein Opfer-sondern Überlebende
  • Kein Opfer“Kult“ (sie hat ein anders Wort benutzt)
  • Nicht reinfressen, sondern drüber reden

Verzeihen: Obwohl ich ein wenig glaube, sie meint eher auf die Täter zugehen und sie mit Ihrem Handeln konfrontieren. Das hat sie ja auch mit dem SS-Mann Gröning getan und ihm die Hand gereicht

Motivation: Die Täter sollen keine Angst haben sondern Aussagen was damals passiert ist. Denn wenn sie Angst haben und sich verstecken, dann ist es für Neonazis leicht zu behaupten dass das alles nie stattgefunden hat. Davor hat sie Angst. Wenn alle die noch leben nun aussagen, findet man vielleicht noch Dokumente, die nützlich sein können.

Meine Gedanken dazu waren im Moment wo sie es sagte: Es stimmt. Was haben all die bisherigen Prozesse gebracht ?  Was nutzt es, wem nutzt es, die die an irgend einer Stelle mitgemacht haben zu verknacken?

Heute lese ich, dass andere Überleben ihr Verhalten sehr kritisieren: „öffentlich inziniert“. „Man will Gerechtigkeit“. „Man kann nicht verzeihen“.

Mir persönlich erscheint das Verhalten von Eva Moses Kor als „schlau“. Es ihre Strategie, mit ihrem Schicksal fertig zu werden. Sie blickt nicht zurück, sondern nach vorne.

Es zeigt aber auch, die unendliche Kraft die im Verzeihen liegt.

Die anderen Überlebenden, die das nun kritisieren: Ich denke, dass „eigentlich“ vor dem Verzeihen solcher Untaten das „um Vergebung bitten“ der Täter stehen muss. Das wird für viele Überlebenden eine zwingende Voraussetzung sein, und selbst dann werden nicht alle verzeihen können. Aber Eva Moses Kor hat sich davon frei gemacht, ist nach vorn gegangen und hat verziehen. Sie hat quasi ihr Lebensgefühl (ob es gut oider schlcht ist) vom Verhalten anderer befreit.

Und: In der Jauch-Sendung wurde auch angesprochen, was passiert wenn nicht verziehen wird, wenn es unter der Oberfläche bleibt, vielleicht nur Vergeltung geübt wird: Es wird auf die Kinder weitergegeben, es entsteht eine ’neue Klasse von Opfern‘. Ich weiss selbst, dass man als Kind aus dem Erzählungen viel mitgekriegt hat, auch im Verhaltend er Eltern selber.

Die Kinder werden selber zu Opfern und ihrerseits wieder neues Unheil anzetteln, in dem es dann wieder Opfer und Täter gibt. Ein ewiger Teufelskreis, von dem die Erde mehr als genug bereits hat.

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